Warum viele Schweden die deutsche Energiewende nicht mögen

Wind turbines lined in the sea in northern Europe.
Energy & Infrastructure

Die Energiewende wird in Deutschland von vielen als ein essenzieller Schritt in eine klimaneutrale Zukunft betrachtet. Doch nicht alle europäischen Nachbarn sehen den vorzeitigen deutschen Kohle- und Atomausstieg ausschließlich positiv. Die deutsche Energiewende treibt die Strompreise in Ländern wie Schweden in die Höhe, welche den Schritt in eine kostengünstige, klimaneutrale Stromversorgung eigentlich längst geschafft haben.

Alexander Beyer
Alexander Beyer
Stefan Buelow
Stefan Buelow
Schweden gilt mit einem Anteil von über 90% als einer der Vorreiter einer klimaneutralen Energieerzeugung. Auch in Deutschland nahm der Anteil der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren rapide zu, im Jahr 2020 wurden bereits fast 45% des gesamten Strombedarfs daraus gedeckt. Während die schwedische Energieproduktion aus Wasser- und Atomkraft jedoch eine konstante Grundlast liefern kann, so unterliegt die auf Solar- und Windenergie basierende deutsche Energiewende in Abhängigkeit der Umwelteinflüsse starken Schwankungen.
Schweden Energie Bild

Mit der Abschaltung der fossilen und nuklearen Brennträger lassen sich diese Schwankungen nicht mehr jederzeit ausgleichen und Deutschland ist auf Importe aus dem europäischen Ausland angewiesen, um seinen Strombedarf zu decken.

Wie sich die europäischen Strommärkte gegenseitig beeinflussen

Strom wird in Europa spätestens seit der Liberalisierung der Strommärkte als eine auf den nationalen und internationalen Strombörsen frei handelbare Ware betrachtet, deren Preis sich als Commodity im Wesentlichen über das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Stromproduzenten platzieren je stündlich Angebote an den Börsen, welche Strommenge sie jeweils für die betreffende Stunde zu welchem Preis zur Verfügung stellen können. Nach dem Merit-Order-Prinzip werden die Angebote anschließend nach ihren variablen Kosten sortiert, die jeweils günstigsten erhalten zuerst einen Zuschlag, bis die Stromnachfrage für diese Stunde gedeckt ist. Das teuerste Angebot, dass gerade noch benötigt wird, um den Strombedarf zu decken, bestimmt den Markträumungspreis (die sog. Merit Order). Alle Angebote, die einen Zuschlag für diese Stunde erhalten haben, werden zum Markträumungspreis vergütet. Während sich die erneuerbaren Energien wie Wind- und Solarenergie durch besonders niedrige variable Kosten auszeichnen, sind diese für die fossilen Brennträger besonders groß. Lokale Differenzen von Angebot und Nachfrage können in Abhängigkeit von der vorhandenen Transmissionskapazität zwischen einzelnen Regionen automatisch ausgeglichen werden. Reicht die volatile Stromproduktion in Deutschland daher aktuell nicht zur Deckung der Nachfrage aus, so muss diese automatisch durch vorhandene Kapazitäten in etwa Schweden bedient werden. Während Schweden daher eigentlich über eine zuverlässige erneuerbare Stromversorgung für seinen eigenen Bedarf verfügt und von den niedrigen Produktionskosten dieser profitieren könnte, bedarf die Deckung des volatilen deutschen Strombedarfs weiterhin der Nutzung kostenintensiver Produktionsmethoden. Diese erhöhen über das Prinzip des Markträumungspreises den Preis, für den die gesamte schwedische Stromproduktion gehandelt wird.

Sweden energy infrastructure image
Während sich schwedische Stromproduzenten also über die gestiegenen Stromexporte nach Deutschland freuen dürften, so muss der schwedische Konsument und die schwedische Industrie die deutsche Energiewende teils teuer bezahlen. Die Preiskurven vom 26.05.2023 aus Deutschland, Südschweden und Nordschweden zeigen beispielhaft den Einfluss der hohen deutschen Preise auf Südschweden im Vergleich zu Nordschweden.
Sweden energy infrastructure image
Das Volatilitätsproblem der deutschen Energiewende verdeutlicht, dass für eine Transition in eine klimaneutrale Zukunft mehr getan werden muss als nur die Abschaltung fossiler und nuklearer Brennträger. Nicht nur die Maximal-Leistung der erneuerbaren Energien ist für das Gelingen der Energiewende verantwortlich, sondern auch die Sicherstellung einer dauerhaften und stabilen Stromversorgung. Über die Entwicklung von großen Stromspeicherlösungen und intelligenten Algorithmen, welche datenbasiert gezielt die Produktion und Nachfrage über innovative Technologien wie Smart-Meter und Demand-Side-Response steuern, lässt sich das Volatilitätsproblem der erneuerbaren Energien potenziell lösen. Eine ganze Branche ist im Umbruch und eröffnet Potenzial für neue, datengetriebene Geschäftsmodelle. Statista verfügt über eine fundierte Erfahrung in der Identifikation und Skalierung datengetriebener Geschäftsmodelle sowie der Strategieentwicklung in der Energiebranche – sprechen Sie uns gerne an, wenn sie wissen wollen, wie wir auch Ihnen weiterhelfen können.

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